Rainer Kippe, Düsseldorfer Str. 74, 51063 Köln

Köln, den 02.04.2006


Offener Brief an die Grüne Ratsfraktion

 

Lieber Jörg Frank,

ich spreche Dich in diesem Brief an die Grüne Fraktion persönlich an, weil Du Dich uns als deren Vertreter am Mittwoch Abend, den 29. März, zu einem Gespräch zur Verfügung gestellt hattest.

Wie Du weißt, sind wir- eine Gruppe von Besetzern des Barmer Blocks- am Mittwoch gegen 18h ins Haus Neuerburg gekommen, um an Eurer grün-offenen Fraktionssitzung teilzunehmen. Zuvor hatten wir die Fraktionssitzung der SPD besucht und dort unsere Vorstellungen und Kompromissvorschläge zur Lösung des Konfliktes um den Barmer Block vorgetragen. Wie ich Dir bereits erklären durfte, wollten wir - auf dem Hintergrund des Beschlusses der Grünen Partei, den Abriss Barmer Block zu verhindern-, mit Euch über die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Fraktion und Besetzern reden und als ersten Schritt den Informationsstand über die jeweiligen Bemühungen angleichen, kurz - uns mit Euch austauschen.

Als wir 20 vor sechs bei Euch klingelten, wurden wir auf 18.30 bestellt. Wir verbrachten die Wartezeit bei einem Bier im "Hartz IV" um die Ecke. Als wir 20 nach 6 wiederkamen, wurden wir eingelassen und begaben uns in den Keller zu Eurem Fraktionsraum. Dort warteten wir vor verschlossener Tür bis gegen 7. In der Zeit kamen verschiedene grüne Parteimitglieder vorbei und leisteten uns Gesellschaft oder verschwanden wieder. Nach Rückfrage von uns kamst schließlich um 7h Du herunter in Begleitung eines anderen Ratsmitgliedes, dessen Namen mir nicht bekannt ist.

Du führtest zunächst bewegte Klage darüber, dass wir schon wieder mit Euch diskutieren wollten, wo doch alles bereits ausgiebig besprochen sei. Es war sehr schwierig, Dir darzulegen, dass wir überhaupt nicht über die Vergangenheit diskutieren wollten, sondern einfach nur den Stand der Bemühungen abgleichen und das weitere Vorgehen besprechen, insbesondere in Bezug auf die Ratssitzung am 4.4. und den Antrag der Fraktion der Linken.
Dafür sahest Du keinen Bedarf. Es war für mich schon ein bisschen erschreckend zu hören, dass für Dich als einen der führenden Vertreter der Fraktion sich durch den Beschluss Eures Parteitages offensichtlich gar nichts geändert hatte. Was aus Deinem Munde kam war Originalton Barbara Moritz vom Parteitag: wir finden für eine Zwischennutzung keine Unterstützung bei der SPD, und folglich ist das Thema für uns erledigt. ("Der Zug ist abgefahren", ist in diesem Zusammenhang die neue grüne Leitvokabel.)

Ihr wolltet auch nicht mit uns reden, weil der Barmer Block angeblich gar nicht auf der Tagesordnung stünde, und Ihr soviel anderes zu besprechen hättet.

Als wir Euch fragten, wo Ihr heute tagt- der normale Fraktionsraum blieb an diesem Abend verschlossen-, habt Ihr uns gesagt, grün-offen wäre heute Abend nicht. Heute Abend wäre nur intern und für Mitglieder.
Wir haben Dich und Deinen Kollegen schließlich gefragt, wie Ihr mit dem Antrag der Linken auf Aussetzung des Abrisses in der Ratssitzung am 4.4. umgehen wollt, und ob Ihr ihm zustimmt.

Ihr habt uns dann versichert, das stünde noch nicht fest. Als ich fragte, wann darüber beschlossen würde- an diesem Abend ja angeblich nicht-, habt Ihr beide treuherzig versichert, es fände dazu vor der Ratssitzung noch eine Fraktionssitzung statt.
Das hat uns sehr gewundert, aber wir haben es Euch geglaubt und sind dann abgezogen.
Umso erstaunter waren wir, als wir am nächsten Morgen in der Kölnischen Rundschau lesen durften, dass Ihr an diesem Abend beschlossen habt, den Antrag auf Aussetzung des Abrisses abzulehnen.

Es kann Euch natürlich niemand zwingen, mit uns zusammenzuarbeiten, und wenn Ihr Eure grün-offenen Sitzungen nicht mehr abhaltet, dann ist das ausschließlich ein Problem der grünen Partei, die Ihr in Euren Parteigremien diskutieren könnt.

Wir wissen auch, dass es nicht immer einfach ist, im Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit, Initiativen, Partei und Ratsfraktion Politik zu machen. Dafür seid Ihr angetreten, und dafür hattet und habt Ihr unser Verständnis und unsre Unterstützung.

Wir waren uns immerhin einmal mit Euch darüber einig, dass man diese Aufgabe nur mit Offenheit bewältigen kann. Dafür standen die Grünen, und dafür gab es auch einen grün- offenen Fraktionskreis, in dem alle Beschlüsse offen diskutiert wurden und alle Entscheidungen offen fielen.

Wie gesagt: das gilt seit letztem Mittwoch in Köln nicht mehr, und das haben wir zu akzeptieren, auch wenn uns das nicht schmeckt. Wir werden uns auch daran gewöhnen, dass Ihr uns über Eure Entscheidungen auf dem üblichen "demokratischen" Weg informiert, über die Presse nämlich, die bekanntlich frei ist, und diese Mitteilungen dann abdruckt oder auch nicht.

Etwas anderes ist es allerdings, wenn wir Euch fragen und Ihr Euch freundlicherweise bereit findet, uns zu antworten. Dann, lieber Jörg, liebe Grüne Fraktion, würden wir immer noch gerne die Wahrheit hören. Belügen darf man seine Feinde, und selbst da sollte man sich nicht erwischen lassen, weil das in der offenen Gesellschaft nicht gut ankommt. Man spricht deshalb auch nicht von Lüge, sondern von Informationspolitik, Dementis u.ä..

Es ist in diesem Zusammenhang ja nicht das erste Mal, dass wir im Gespräch über den Barmer Block von Euch mit Informationen versorgt werden, die sich im Nachhinein als falsch herausstellten. Die Fraktionssitzung vor 14 Tagen war dafür ein Musterbeispiel
- falsch war bekanntlich die Behauptung, es gäbe einen Abrissvertrag, bei dessen Nichteinhaltung auf die Stadt hohe Schadensersatzforderungen zukämen. Richtig war, wie sich dann herausstellte, dass es nicht nur keinen Abrissauftrag gab, sondern sich der Erbbauverein sogar geweigert hat, einen solchen zu vergeben. Und soviel ich weiß ist der Auftrag bis heute nicht erteilt
- falsch war weiterhin die Behauptung, es sei unrichtig, dass für Kauf und Verlagerung des Barmer Blocks 38,1 Mio. Wohnungsbaumittel und dazu auch noch Schulsanierungsmittel verwendet worden wären. Richtig ist vielmehr, dass dies so ist und dass es jedermann im Ratsprotokoll vom November 02 im Internet nachlesen kann, und zwar in der Rede des Kämmerers auf Seite 17.
- falsch war auch die Behauptung, die Wohnungen seien schon "rückgebaut", wie man im 1984- Wahrheits- Speech inzwischen das Demolieren von Wohnungen und das Zerschlagen von Sanitäreinrichtungen nennt. Richtig ist vielmehr, dass die Wohnungen überwiegend bezugsfähig sind oder mit geringen Aufwendungen wieder bezugsfähig gemacht werden können, , wie sich jeder, der sich die Mühe gemacht hat, die Wohnungen zu besichtigen, überzeugen konnte und kann.
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Für alle diese Falschinformationen, die von Eurer Fraktion verbreitet wurden, haben wir bisher keine Richtigstellung gehört. Warum eigentlich nicht?

Ich zähle diese Falschinformationen noch einmal auf, um Euch klarzumachen, dass Dein Auftritt am Mittwoch Abend ein weiteres Glied in einer Kette von Falsch- und Desinformationen von Seiten der Grünen ist, mit denen wir in der Sache Barmer Viertel zu kämpfen haben. Und ich erwähne das, weil DIE GRÜNEN bisher für uns, zumindest was Informationen anbetrifft, als eine seriöse und zuverlässige Quelle galten, auf die wir uns verlassen konnten. Diese offensichtlichen Unwahrheiten haben uns also doppelt getroffen, weil wir auf die Richtigkeit Eurer Angaben blind vertraut haben. Wir empfinden sie nicht nur als Täuschung, sondern auch als Vertrauensbruch.

Es ist mir in diesem Zusammenhang nicht entgangen, dass Du bereits zu Beginn unseres Gesprächs am Mittwoch Abend gesagt hast, Ihr fühltet uns von Euch wie Feinde behandelt. Ich erwähne diese Äußerung von Dir, weil das Euer Verhalten uns gegenüber erklären würde. Wir sind Feinde, wir versuchen Euch zu schaden, und deshalb habt Ihr das Recht, uns zu täuschen und zu belügen. So, in dieser Art etwa, scheint Ihr mir zu ticken. Und in der Tat hast Du ja gewirkt wie einer, der fürchtet, fertig gemacht zu werden. Vielleicht habt Ihr ja auch da oben in Euren Büroräumen hinter verschlossenen Türen gehockt, Euch überlegt, dass Ihr auf keinen Fall in den Keller kommt, wo die bösen Hausbesetzer warten (vielleicht sogar wieder mit RTL oder der BILD- Zeitung), und auf keinen Fall wolltet Ihr mit uns darüber reden müssen, dass Ihr am Dienstag im Rat gegen den Antrag der Linken stimmt. Und dann habt Ihr überlegt, wer jetzt runtergeht und sich was einfallen lässt, damit wir abhauen. Und Du, lieber Jörg, warst dann das Opfer, weil Du ja sowieso immer die Prügel kriegst für die unliebsamen Entscheidungen innerhalb und außerhalb der Fraktion, und weil Du Dich ja schon damit abgefunden hast, dass den Lohn für die mehrheitskonformen Beschlüsse andre einkassieren.

Ich sage das, damit Du siehst, dass ich zumindest versuche, mich in Euch hineinzudenken.
Es wäre ja auch ein leichtes für uns gewesen, in den dritten Stock hinaufzusteigen, und die Tür zu Eurer Klüngelsitzung aufzumachen oder aufzutreten. Seit der Besetzung der Linksfraktion wird ein solches Vorgehen ja geradezu von uns gefordert, und bei der SPD sind wir ja auch nicht auf Einladung in die geheiligte Fraktionssitzung gelangt, sondern einfach hineinmarschiert. Darin haben wir bekanntlich Übung, oder anders gesagt, im Unterschied zu Euch Ex-Kommunisten und Ex-Anarchisten haben wir diese Übung nie ganz verloren. Wobei wir bei der SPD wohl auch deshalb auf keinen physischen Widerstand gestoßen sind, weil die Kamera von Spiegel-TV die Szene begleitete.

Der langen Rede kurzer Sinn: ich meine, so kann es nicht weiter gehen.
Ich schlage deshalb vor, dass wir uns zu einem klärenden Gespräch treffen, in dem die Meinungsverschiedenheiten ausgesprochen und ausgeräumt werden können und dann über eine Zusammenarbeit auf neuer Basis verhandelt wird.

Wenn auch Du/Ihr daran interessiert seid, dann könnt Ihr uns ja einen Vorschlag unterbreiten. Wir können uns ja an wechselnden Orten treffen: einmal im Barmer Block, einmal in Euren Fraktionsräumen.

Als Moderator schlage ich Jörg Penner vor.
Ein solches Gespräch wäre vor allem interessant, wenn es Euch gelänge, Euer Moratorium durchzukriegen und das Thema in das Städtebauforum zu bringen.

Insofern beinhalten die jüngst gemachten schlechten Erfahrungen wie immer im Leben auch die Chance, zu einer besseren Zusammenarbeit zu kommen.

Ich grüße Dich und sehe Deiner Antwort mit Gelassenheit entgegen.

Rainer Kippe


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