Abs.: Rainer Kippe, Düsseldorfer Str.74, 51063 Köln

An die
Redaktion von Rathaus Ratlos
z.Hd. Autor Jörg Frank
Gülichplatz 3
50667 Köln

Köln, den 17.04.06

Betr.: Barmer Block
Bezug: Dein Artikel in der Ausgabe "Rathaus Ratlos"Nr. 174 vom April 2006


Lieber Jörg,

für Deine Bereitschaft, in Sachen Barmer Block zur Feder zu greifen und einige Dinge klarzustellen, danke ich Dir sehr; mir scheint, man hat Dir wieder einmal die Rolle des Sündenbocks übertragen. Ich hätte mir allerdings gewünscht, dass Ihr meinen Brief an Dich abdruckt und wir so zu einem der Sache angemessenen Dialog kommen. Diesen Vorschlag wiederhole ich und rege nochmals an, einen solchen Briefwechsel sowohl in Rathaus Ratlos wie in der NRhZ zu veröffentlichen. Schön hätte ich auch gefunden, wenn Du mir, wenn Du Dich schon nicht dafür entschuldigst, wenigstens erklärt hättest, warum Du uns so offensichtlich hinters Licht geführt hast. Dennoch sehe ich in Deinen Ausführungen die Bereitschaft, von persönlichen Dingen abzusehen und zur Sache zu reden- eine Fähigkeit die Dich von einigen Deiner Mitspieler unterscheidet, und Dich als Politiker ausweist.

Ich finde es besonders schade, dass Du kein Wort verloren hast zu den, - wie Du es nennst- "Legenden", mit denen Ihr im Februar und März den sofortigen Abriss begründet habt. Ich denke hier insbesondere an die unwahre Behauptung, es sei bereits ein Vertrag mit einer Abbruchfirma geschlossen, und bei nicht Befolgung drohten hohe Schadensersatzforderungen, und die ebenso falsche Behauptung, die Wohnungen währen bereits zerstört (Ihr nennt das "rückgebaut"), und somit unbewohnbar. Wie inzwischen jeder weiß, gab es bis vor wenigen Tagen keine Abrissvergabe, und die Wohnungen waren, als wir sie öffneten, zum größten Teil in gutem Zustand, und sofort beziehbar, wenn man Strom und Wasser wieder andreht. Ich sage das auch, weil Ihr Euch mit diesen Fehlmeldungen in der Öffentlichkeit und in der Wahrnehmung Eurer Wähler als unglaubwürdig dargestellt habt, ein Vorgang, der einem Vollblutpolitiker wie Dir nicht gleichgültig sein kann.

Was den Schaden durch den übereilten und überteuerten Kauf des Barmer Viertels vom Erbbauverein anbelangt, so habt Ihr ja bereits in der Ratssitzung am 4.4.06 begonnen, die Kosten von 65 Millionen in solche für den Grundstückerwerb in Höhe von 22,5 Millionen solche für die Umsiedlung in Höhe von 42,5 Millionen auseinander zu rechnen, und bereits dort hat Euch kein geringerer als der Fraktionsführer der FDP, Ralph Sterck, einer der prononcierten Verfechter des Projektes, widersprochen und Euch darauf hingewiesen, dass Kosten Kosten bleiben und Schaden Schaden ist, egal, wo man ihn verbucht. Interessant ist diese Darstellung insofern, als Ihr bis vor kurzem noch versucht habt, der Öffentlichkeit einzureden, Ihr könntet die gesamten 65 Millionen durch Grundstücksverkäufe wieder hereinholen, sowie es Euer Ratsbeschluss vom 19.12.02 suggeriert.

Dass Ihr mit dem Geld wieder Wohnungen geschaffen habt, am Ende sogar mehr als bisher, kann nicht davon ablenken, dass hier zuerst hochwertiger Wohnraum vernichtet werden soll, dass es sich folglich also nicht um Wohnungsneubau im wirklichen Sinne des Wortes handelt, sondern nur um Ersatzwohnungsbau, weil ja tatsächlich zusätzlicher Wohnraum nur in ganz geringem Umfang geschaffen worden ist, und das folglich das Geld, das hier ausgegeben wurde, beim Wohnungsneubau fehlen wird, genau so, wie es des Kämmerer ganz richtig gesagt hat. Und wenn Du jetzt sagst, dies wäre ein "sinnvolles Investment, das....der Aufwertung des Messeumfeldes dient, um Firmen und damit Arbeitsplätze anzusiedeln", so hast Du exakt unsere Behauptung bestätigt, dass Ihr Sozialmittel für die Wirtschaftsförderung verwendet. Ich bezweifle allerdings, dass Ihr dieses "sinnvolle Investment" für Euer Lieblingskind, die Messe, auch im Haushalt korrekt ausgewiesen habt, verbieten doch nicht zuletzt auch europäische Gesetze eine solche verdeckte Subventionierung.

Das bestätigst Du indirekt auch, wenn Du zugibst, dass für den Sozialplan "Wohnungsbaufördermittel, wie sie das Land NRW Kommunen zur Verfügung stellt", nicht verwandt wurden, denn, wie Du zu Recht sagst: "Dies wäre unzulässig".

Die Behauptung, dass Ihr 38,1 Millionen Wohnungsbaumittel für die Verlagerung des Erbbauvereins aufgewendet habt, halten wir indes aufrecht und berufen uns dabei auf den Kämmerer, Herrn Soénius, der in seiner Haushaltsrede in der 44. Sitzung des Rates der Stadt Köln am 18.November 2002 auf Seite 17 des im Internet jedermann zugänglichen Ratsprotokolls im Bezug auf das "städtebauliche Planungskonzept Deutz im Zusammenhang mit dem ICE-Terminal und dem Bau eines neuen Entrees für die Messe" gesagt hat- ich wiederhole es: "Zur Finanzierung dieser im bisherigen Investitionsprogramm noch nicht enthaltenen Vorhaben wurde das Programm Wohnungsbau im gesamten Planungszeitraum um insgesamt 38,1 Millionen Euro reduziert. Die letzte Rate der für die Schulsanierung vorgesehenen Kapitalzuführung an die Gebäudewirtschaft wurde unter Berücksichtigung des schleppenden Fortgangs erneut um ein Jahr auf 2004 verschoben". Dieselbe Ratsvorlage legt übrigens nahe, dass für den Ersatzwohnungsbau dennoch sehr wohl Wohnungsbaumittel des Landes verwendet worden sind- zusätzlich zum Geld der Stadt Köln- und zwar vom Erbbauverein selbst.

Gerade in diesem Zusammenhang finde ich es mutig von Dir, dass Du erstmals gewagt hast -wenn auch nur unter dem Pseudonym Ignaz Igel- die unangenehme Wahrheit auszusprechen, dass Ihr die erwarteten Erlöse beim Verkauf der Grundstücke in Höhe von 71 Millionen als Gegenfinanzierung für die aufgewendeten 65 Millionen bereits in das Haushaltssicherungskonzept eingestellt habt, obwohl damals bereits- Ihr sagt im Jahre 2004- nach Euren eigenen Angaben "die Umsetzung des Planungskonzepts Barmer Viertel ins Stocken" geraten war. Ein mutiges Eingeständnis, fürwahr, das für den ganzen Rat und alle Mitglieder, die damals mitgestimmt haben, unangenehme Folgen haben könnte, haftet doch nach der Gemeindeordnung jedes Ratsmitglied persönlich, wenn im Haushalt falsche- auch leichtfertig falsche- Angaben gemacht werden. Immerhin hatte die Verwaltung ihre fantastischen Zahlen für den Wiederverkaufswert der Grundstück bereits im Jahre 2002, als sie die entsprechende Ratsvorlage erarbeitete, unter einen Vorbehalt gestellt, den man im Rückblick nur als klug bezeichnen kann. Der große Visionär und Planer Fruhner, der so sehr auf die Verwirklichung seiner Ideen gedrängt hatte, hat Euch damals ganz cool und fett gedruckt bezüglich Aufwand und Ertrag der Grundstücksgeschäfte mit dem Erbbauverein in die Vorlage geschrieben: " Für beide vorstehenden Beträge gilt, dass sie in der Entwicklung des Projektes erheblichen Änderungen unterliegen können." (S.10 der Anlage 1 zur Ratssitzung am 16.Juli 2002). Auf der folgenden Seite heißt es nochmals warnend: "Die Höhe der Einnahmen kann, da Konjunkturverlauf und sich daraus ergebende wirtschaftliche Voraussetzungen Änderungen unterworfen sind, von den hier genannten Prognosezahlen abweichen." Und abschließend auf Seite 12: "Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die vorstehend genannten Prognosezahlen, die nach heutigem Kenntnisstand mit einem negativen Ergebnis für die Stadt enden, Bestand haben. Wegen der langen Vorlaufzeiten des Gesamtprojektes und der Unwägbarkeit der Konjunktur und der Nachfrage nach derartigen Objekten, kann die Verwaltung eine angestrebte Kostenneutralität nicht gewährleisten." Prophetische Worte, muss man aus dem Abstand von nicht einmal 4 Jahren sagen. Solche unsicheren Zahlen, lieber Jörg, darf man m.E. überhaupt nicht in ein Haushaltssicherungskonzept einstellen.

Erlaube mir zum Abschluss noch eine Bemerkung zum Oppenheim- Esch Fonds. Ob dieser das Kongresszentrum bauen wird, wissen wir in der Tat nicht, und deshalb haben wir das auch nicht behauptet. Korrekterweise muss man sagen, dass das zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand mit Sicherheit wissen kann. Ihr habt den Bau ja noch nicht vergeben. Was wir wissen, und zwar aus der Vorlage des Ausschusses, dem vorzusitzen Du die Ehre hast, des Liegenschaftsausschusses in seiner Sitzung vom 08.Dezember letzten Jahres, ist allerdings, dass Ihr mit Oppenheim schon in Verhandlungen seid, und zwar wegen genau des Grundstückes, auf dem sich die Barmer Siedlung und insbesondere der Barmer Block befindet. Oppenheim tritt in dieser Vorlage allerdings nicht direkt auf, sondern getarnt als Teilhaber von Moderne Stadt/Modernes Köln, wo sie gemeinsam mit Deutsche Bank, Stadtsparkasse, AXA-Colonia, GAG usw. sitzen. Und für genau diesen "Investor", an dessen Bereitschaft zum Investieren Ihr nach eigenem Bekunden selbst nicht so recht glaubt, wollt Ihr jetzt den Barmer Block abbrechen. Angeblich, um die Kohle für das Haushaltssicherungskonzept wieder reinzuholen, tatsächlich aber, um eine Spekulation mit einem leeren Grundstück zu ermöglichen- wieder einmal auf Kosten des Steuerzahlers und der kleinen Leute, denen der Wohnraum jetzt schon fehlt.

Euer Vorgehen sehen wir als einen doppelten Angriff auf die Interessen der kleine Leute, weil jetzt schon klar ist, dass der Barmer Block mit seiner jetzigen Bebauung erheblich mehr wert ist, als das nackte Grundstück, und dass diese historische Fassade einen attraktiveren Zugang zu Eurem neuen Kongresszentrum bieten und mehr Investoren anziehen wird, als die brutalen Fassaden à la Constantinstraße.

Was Du wirklich von Euren Vorhaben hältst, lieber Jörg, sagst Du auf Seite zwei derselben Nummer von Rathaus Ratlos, wo Du Dein Urteil über Oppenheim-Esch-Fonds, KölnArena und Kongresszentrum unter der Überschrift zusammenfasst: "Neue Abenteuer". Und für diesen Mut und für diese Offenheit, lieber Jörg, danke ich Dir.

Trotz allen Gegensätzen.

In der Hoffnung, dass unser Gespräch bald Wirklichkeit wird, verbleibe ich.


Dein

Rainer Kippe


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