Von Reinhard Röder und Rainer Kippe (21.02.06)
Ein großer Plan fordert gewisse Opfer...
Es sollte die größte
"Einzelinvestition" in Köln werden, seit der Fertigstellung des
Domes:
1 Milliarde DM oder 510 Millionen Euro waren veranschlagt für ein kleines
Gebiet von gerade einmal 16.000 qm Fläche zwischen Bahnhof Deutz und den
Messehallen Ost.
An dieser Investition hing nicht nur "die Zukunft der Messe", sondern
des gesamten "rechtsrheinischen Innenstadtbereiches". Ein Kongresszentrum
sollte entstehen und "ein Messefoyer", flankiert von einem Hotel-
"teilweise als Hochhaus" mit 29 Geschossen und 130 m Höhe, und
"ein weiteres Büro-Hochhaus mit angrenzender 7-geschossigen Bebauung",
mit nicht weniger als 36 Geschossen und 150 m Höhe. Im neuen ICE- Bahnhof
unter einem riesigen Glasdach für 10 Mio. mit "direktem Anschluss
an die Ausstellungsflächen" der Messe in dem "in Europa einzigartigen
Verkehrsknotenpunkt" sah die Stadtverwaltung Köln nicht nur "eine
ausgesprochen positive Zukunftsaussicht", sondern bis zum Jahre 2008 sogar
den Transrapid einschweben.
Weil "die vorgesehene Fertigstellung des Bahnhofes im Jahre 2008 (..) die
Stadt und die Investoren in einen engen Zeitrahmen pressen" würde,
genoss "die Verfügbarkeit der Grundstücke des Erbbauverein Köln
eG", d.h. die Vertreibung der Mieter und "die Baureifmachung der Flächen",
d.h. der Abbruch ihrer Wohnung, höchste Priorität. "Die Grundstücke",
so hieß es, "müssen zur Realisierung der Neubebauung und Erschließung
unverzüglich gesichert werden und in den nächsten 3 Jahren geräumt
und baureif aufbereitet sein."
...und alle machen mit
Und als es um die Zukunft
der Vaterstadt ging, da kannte man keine Parteien mehr, und alle machten mit.
Die CDU, die in Köln immer im Schatten kühner sozialdemokratischer
Planer und Macher wie Klaus Heugel und Günter Herterich gestanden hatte,
wollte endlich einmal zeigen, dass auch sie "ein aus wirtschaftlich Sicht
unbedingt notwendiges Jahrhundertbauwerk in eine Zielsetzung der Fertigstellung
des Gesamtprojektes binnen...sechs Jahren einmünden" lassen kann,
und fand in ihrem unvergessenen Dezernenten Fruhner auch den Mann, der die notwendige
Planungslyrik zu dichten verstand.
Die SPD sah ihren Anspruch auf die Formulierung der maßgebenden städteplanerischen
Visionen schwinden und wollte keinesfalls zurückstehen. Deshalb stimmte
"RM Rüther...für die SPD- Fraktion zu."
Für "die Fraktion Bündnis `90/Die Grünen" sagt RM Waddey,
dass diese "ebenfalls die Verlagerung des gesamten Wohnungsbestandes befürwortet."
Für die Pünktchenpartei "führte RM Sterck aus, dass auch
die F.D.P.- Fraktion die große Lösung präferiert."
Dem konnte selbst der Theologe Dr. Heydrich, seines Zeichens Republikaner, seinen
Segen nicht verweigern.
Nur die PDS war zu dieser Zeit, im Februar 2001, noch abwesend.
Das änderte, sich aber, als es ernst wurde mit dem Kauf der Grundstücke
im Barmer Viertel im Juli und Dezember 2002. Da wollte endlich keiner mehr zurückstehen,
und in tiefer Verantwortung für die Zukunft der Vaterstadt Köln wurden
jetzt alle Beschlüsse einstimmig gefasst.
Wie man im Rat der Stadt Köln rechnet
Die Stadtverwaltung machte
eine detaillierte Rechnung auf und bewies den Ratsmitgliedern, welches glänzende
Geschäft sie auch in kaufmännischer Hinsicht für Köln abschließen
sollten. Durch die Hochhausplanung, abgesichert durch einen neuen Bebauungsplan,
sprangen die Grundstückswerte in dieser bescheidenen Lage über Nacht
in die Höhe. 40 Millionen Euro wollte man allein für das Grundstück
des "Bürohochhauses mit Anschlussgebäude" einnehmen, 21
Millionen für das Grundstück des Hotelhochhauses, 5 Millionen für
Messefoyer und Kongresshalle, und immer noch 4 Millionen für das Grundstück
des Parkhauses. Zusammengerechnet sind das über 71 Millionen Euro und es
ergibt sich ein Quadratmeterpreis von über 4.000 Euro. Da war es kein Problem,
wenn man dem Erbbauverein für das Grundstück großzügig
22 Millionen Euro hinblätterte, mithin 1.400 Euro pro qm, ungefähr
das Dreifache des wirklichen Grundstückswertes, verglichen mit anderen
Deutzer Wohnlagen. Auch die 43 Millionen Euro für die "Verlagerung"
der Bewohner, d.h. für den Neubau ihrer Wohnungen, den Umzug und einen
10-jährigen Mietzuschuss, konnte man in dieser Rechnung unterbringen, und
auch die 5 Millionen für angrenzende Bahngrundstücke waren da noch
drin.
Es fällt heute schwer zu glauben, dass keinem Ratsmitglied Bedenken gekommen
sein sollen, ob man Grundstückspreise in dieser astronomischen Höhe
überhaupt würde erzielen können. Dass keiner nachgefragt haben
soll, wer bitteschöne bereit wäre, solche Preise zu bezahlen, und
ob auch nur eines dieser Traumgrundstücke auf der neuen Goldmeile hinter
den Bahngleisen bereits einen Interessenten gefunden hätte. Nirgendwo findet
sich auch nur eine Spur von einem dieser Wundertiere der neuen Ökonomie,
genannt Investor. Keiner der im Rat Vertretenen hätte wohl einem solchen
Traumgeschäft zugestimmt, wenn er mit seinem eigenen Vermögen hätte
einstehen müssen. Es hat aber auch kein Journalist aus den zahlreichen
Kölner Medien nachgefragt, diesen selbsternannten "Wächtern der
Demokratie".
Auch die bohrenden Fragen der UNESCO zu ihren Hochhausplänen haben sie
keinen Moment verunsichert, genauso wenig wie die Zahlen von den wachsenden
Leerständen am Büromarkt, der Rückgang bei der KölnMesse,
oder die dunklen Aussichten für die Finanzierung eines Kongresszentrums
ausgerechnet an dieser Stelle im Gleisdreieck, von wo aus man nicht mal zum
nahen Rhein spazieren kann.
Dass Fruhner ein Phantast war, kann man heute überall in Köln besichtigen.
Es ist ja nicht nur dieser Traum geplatzt. Vom geplanten Medienpark auf dem
Gelände des Mülheimer Güterbahnhofes mit der Kleinigkeit von
15 ha beispielsweise redet heute kein Mensch mehr. Liest man die Ratsprotokolle,
dann muss man aber einräumen, dass Fruhner nur die Wünsche seiner
Klientel bedient hat. Dass er den Ratsmitgliedern nur erzählt hat, was
sie hören wollten. Sie haben an die Glitzercity geglaubt, solange sie aus
öffentlichen Mitteln bezahlt wird. In einen privaten Investitionsfonds
"ICE-Terminal/Messe" hätte keiner auch nur einen Cent von den
Sitzungsgeldern investiert.
Geplatzte Träume
Als die Blütenträume platzten, war Fruhner bereits nicht mehr im Amt. Sein Nachfolger Streitberger propagiert nun eine Politik "der kleinen Schritte". Von den geplanten Projekten ist nicht ein einziges übrig geblieben. Der ICE-Bahnhof ist genauso tot wie der Transrapid, der hier landen sollte. Die Messe braucht den Eingang nicht mehr, an dem vor kurzem noch ihre Zukunft hing. Von einem Kongresszentrum ist nicht mehr die Rede, und ein Hotel wollte an dieser Stelle ernstlich sowieso noch nie jemand errichten. Ein Bürohochhaus scheitert hier genauso wie anderswo in Köln, weil der Bau von Hochhäusern nun einmal besonders teuer ist, und man die Büroflächen direkt gegenüber schöner und billiger haben kann. Es stellt sich nun heraus, dass die Stadt für die vom Rat genehmigten Geschäfte nicht eine einzige Zusage eines Investors hat. Die Absichtserklärungen von Messe und Bahn sind nicht das Papier wert, auf dem sie geschrieben sind. Für das Grundstück wird man nicht 71 Millionen erlösen, sondern allenfalls 20 Millionen. Ein riesiger Schaden ist entstanden, und niemand will dafür verantwortlich sein, geschweige denn finanziell haften.
Augen zu und durch
Diesem finanziellen und
planerischen Fiasko versucht man nun zu entkommen, indem man die Flucht nach
vorn antritt und so tut, als wäre da nie etwas gewesen. Von den Jahrhundertprojekten
wird nicht mehr gesprochen. Kleine Schritte sind angesagt und "business
as usual". Wie von göttlicher Fügung erscheint ein Investor.
Bei genauerem Hinsehen ist es aber die Stadt selbst, verkleidet als "Modernes
Köln" mit ihren Töchtern Stadtsparkasse und GAG, verstärkt
durch die üblichen Verdächtigen aus dem Messekreisel, diesmal verkleidet
als "Moderne Stadt", als da sind Deutsche Bank, Oppenheim und die
Axa, ehemals Colonia Versicherung.
Von Hochhäusern ist nicht mehr die Rede, und von Bauen auch nicht wirklich,
genaugenommen nicht einmal vom Kaufen. Von einer Option wird da lediglich gesprochen,
und eine Kaufsumme wird da ins Spiel gebracht, die sich beachtlich anhört,
aber bei näherem Hinsehen erst das ganze finanzielle Desaster offenbart:
16,4 Mio. Euro bietet man für das größte Stück der Fläche,
und wenn man genauer hinsieht, da muss man feststellen, dass sie so geschnitten
ist, dass nur noch Ränder übrigbleiben, auf denen man allenfalls Parkflächen
mit öffentlichen Begleitgrün verwirklichen kann. Wenn man bedenkt,
dass 65 Millionen bereits an den Erbbauverein geflossen sind, und dass 3 Mio.
Abbruchkosten noch hinzukommen werden, dann ist der Verlust nicht zu übersehen,
es sei denn, man gehörte zum Kölner Kartell des Schweigens.
Stehenlassen ist die günstigste Lösung, aber warum dennoch abgebrochen werden muss
Bei diesem Preisverfall
kann jeder, der rechnen will, leicht ermitteln, dass das Stehenlassen von 25.000
qm Wohnraum in 381 Wohnungen das beste Geschäft wäre, was die Stadt
unter diesen Umständen noch machen kann. Legt man einen allenfalls erzielbaren
Grundstückswert von 20 Millionen Euro zugrunde, so käme man auf einen
Preis von nur etwas über 50.000 Euro pro Wohnung- ein Schnäppchenpreis,
selbst in dieser Lage, denn der Wert dürfte mindestens beim Doppelten liegen,
und mehr als das Doppelte hat man dem Erbbauverein für den Neubau der Wohnungen
ja auch gezahlt. Darüberhinaus hätte man 3 Mio. Abbruchkosten gespart,
die man für die Verbesserung der Wohnungen verwenden könnte.
Wenn jetzt um jeden Preis abgebrochen werden soll, so hat das deshalb keine
finanziellen Gründe, sondern politische. Allzu viel steht auf dem Spiel,
weil allzu viel schief gelaufen ist, was jetzt rasch unter den Teppich gekehrt
werden muss.
Die Art, wie die Käufe getätigt worden sind, widersprechen derartig
krass den Regeln einer ordentlichen Haushaltsführung, dass man an Veruntreuung
und Vermögensgefährdung denken muss. Immerhin wurden die Gelder für
den Kauf, wie man sich in einer Haushaltsrede rühmte, zum größten
Teil den Mitteln für Wohnungsbau und Schulraumsanierung entnommen- ohne
irgendeine Sicherheit, wie man jetzt feststellen muss. Für ein solches
Geschäft -bar jeder Sicherheit- hätte die Stadtsparkasse wohl niemandem
einen privaten Kredit gegeben. Die Gelder, die hier in Millionenhöhe leichtfertig
versenkt wurden, werden uns in den nächsten Jahren in Köln bitter
fehlen. Gerade deshalb müssen die guterhaltenen Wohnungen weg. Ihre leeren
Fenster stellen allzu viele Fragen.
Zwischennutzung gekippt
Deshalb darf es auch nicht zu der Zwischennutzung durch Studenten kommen, die bereits zwischen Studentenwerk, Stadt und Erbbauverein fest ausgehandelt war. Ein Einlenken wäre immer noch möglich, verhandeln die Grünen, die diese Zwischennutzung propagiert haben, doch gerade mit der SPD um eine Koalition mit Unterstützung der Linkspartei. Sie könnten ohne Schwierigkeiten die Zuständigkeit in den Rat zurückholen und den Abbruchbeschluss zurücknehmen. Dann aber müssten die Verantwortlichen der Öffentlichkeit Rede und Antwort stehen. Dann käme aber nicht nur der sinnlose Abbruch zu Sprache, sondern das ganze Verfahren, das alle mitgetragen haben.
Doch die Sorge der Grünen dürfte ohnehin mehr ihrem "personalpolitischen" Einfluss in der neuen Koalition gelten. Die Möglichkeit, neben ihrer in der rot-schwarzen Stadtverwaltung doch recht isolierten Dezernentin Marlis Bredehorst weitere wichtige Stellen zu ergattern, lässt wohl alles andere verblassen, auch Hunderte von Wohnungen.
Auch der Linkspartei, die sich ebenfalls für eine Zwischennutzung ausgesprochen hat, dürfte der neu gewonnene Einfluss und die Beteiligung am parlamentarischen Spiel in Köln wichtiger sein, als die Rettung des Barmer Viertels.
Verlangen Grüne und Linkspartei beide den Stopp des Abrisses, dann kann die SPD gar nicht anders als einlenken. Starten Rot-Grün und die Linkspartei ihre Zusammenarbeit mit dem Abriss, so wäre damit an diesem Aschermittwoch mit einiger Sicherheit für die Beteiligten noch nicht alles vorbei.
Deshalb:
Kommen Sie zur Dauerkundgebung
am Barmer Platz
Geben Sie Ihre Unterschrift für den Bürgerantrag zur Erhaltung der
381 Wohnungen
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