An
Rainer Kippe
Düsseldorf Str. 74
51063 Köln
Köln, den 7. März 2006
Barmer Viertel
OFFENER BRIEF
Lieber Rainer Kippe,
nach zahlreichen Veröffentlichungen,
Flugblättern, Schreiben an OB und RP, Strafanzeigen, etc. wendest Du Dich
an mich persönlich, um noch einmal alle Vorwürfe im Zusammenhang mit
dem Abriss des Barmer Viertels aufzulisten.
Dieses Schreiben kursiert als offener Brief.
Zunächst einmal beziehst Du Dich auf Telefongespräche, die Du mit mir geführt hast. Dabei habe ich Dir eine Menge Hintergrundinformationen gegeben, die teilweise auch vertraulich waren, weil schützenswerte Interessen Dritter betroffen sind. Du hast Dich an die Vertraulichkeit nicht gehalten. Das gehört wohl zu Deinem politischen Selbstverständnis. Schlimmer noch, dass Du richtige mit unrichtigen Behauptungen verknüpfst und Informationen bewusst falsch verwendest.
Offensichtlich hast Du ein politisches Ziel und da heiligt der Zweck jedes Mittel.
Ich möchte nun auf Deine Behauptungen im Einzelnen eingehen und meine Sicht der Dinge darlegen.
- Mit einem zweiten ICE-Terminal
in Deutz bot sich für Köln die Chance einer schnellen Verbindung nach
Frankfurt und ins Ruhrgebiet. Die Stadt beschloss, das vom öffentlichen
Verkehr optimal erschlossene Gelände um den Bahnhof als Kern einer rechtsrheinischen
wirtschaftlichen Entwicklung verbunden mit einer Neuorientierung der Messe auszuweisen.
Die alten Rheinhallen waren messetechnisch überholt, die innere Erschließung
nicht optimal. Mit einem Südeingang der Messe am Bahnhof Deutz und Anschlussnutzungen
wie Hotel, Kongress und messe affine Büronutzungen sollte dort ein innerstädtisches
Kerngebiet entstehen.
- Dazu musste unter anderem ein Wohnblock des Erbbauvereins weichen, weil er
sich genau im Eingangsbereich der Messe befindet.
- Die dortigen Wohnungen befinden sich in einer absoluten Insellage umgeben
von Bahnlinien, Messe und ihrer Logistik und der viel befahrenen Deutz-Mülheimer
Str. und sind nachhaltig für Wohnen nicht geeignet.
- In den folgenden Verhandlungen mit der Genossenschaft schloss sich der Erbbauverein
dieser Sichtweise an und bestand deshalb auf einem vollständigen Verkauf
seines Bestandes, um ihn an anderer Stelle in moderner Form wieder zu errichten.
- Die Stadt schloss mit dem Erbbauverein einen Verkaufsvertrag, der aus 2 Teilen
bestand ; erstens 22,5 Mio für das Grundstück und 42,5 Mio für
die Neuerrichtung der Wohnungen, Projektentwicklung, Umzugskosten, Mietzuschüsse
und Beratung der Mieter, incl Abrisskosten.
- Der Erbbauverein hat als Ersatz für die entfallenen 381 Wohnungen mittlerweile
511 neue Wohnungen mit modernsten ökologischen Standards in integrierten
Wohnlagen, incl einer KITA errichtet und dafür annähernd 100 Mio Euro
investiert. Alle Mieter sind zu Ihrer Zufriedenheit untergebracht.
- Der Erbbauverein verpflichtete sich auf eigene Rechnung den Abriss zu organisieren
und das Gelände zum 30.6.2006 geräumt zu übergeben.
- Durch unterschiedliche Entwicklungen ( zögerliche Investitionsbereitschaft
der Deutschen Bahn, Interventionen der UNESCO und eine veränderte Nachfragesituation
auf dem Büromarkt) verzögerte sich die Umsetzung.
- Ab Ende März bis Anfang Mai findet eine Überplanung des bestehenden
Bebauungsplans zum Zwecke seiner Änderung in verschiedenen Workshop-Terminen
statt. Im Anschluss daran wird mit der Vermarktung des Geländes begonnen.
Alle Investitionsinteressen müssen bis zu diesem Zeitpunkt vertagt werden,
insbesondere der östliche Bereich, weil sehr wahrscheinlich an dieser Stelle
eine höhere Verdichtung in Frage kommt.
- Ziel der Stadt ist es, die eingesetzten Kaufpreise durch die Vermarktung so
zügig wie möglich zu refinanzieren. Dabei handelt es sich selbstverständlich
um Einnahmeprognosen, die aber bei Prominenz des Standortes nicht unrealistisch
erscheinen.
- Bei der wirtschaftlichen Betrachtung des Gesamtvorhabens darf natürlich
nicht außer acht gelassen werden, dass der Messe mit diesem Projekt langfristig
die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation ermöglicht wird.
Die Frage einer möglichen Zwischennutzung hat sich mir im Verlauf des Projektes auch gestellt, wäre aber nur dann sinnvoll, wenn am Markt keinerlei Neigung zu verspüren wäre, an dieser Stelle zu investieren. Mittlerweile gibt es jedoch zumindest einen Interessenten, dessen Angebot aber wegen der laufenden Umplanungen vertagt werden mussten. Eine Zwischennutzung nur für einen sehr kurzen Zeitraum hingegen wäre nicht sinnvoll.
Selbst wenn ich unterstellen
würde, dass alle betroffenen Akteure bereit wären über eine Zwischennutzung
nachzudenken, ist der Zeitpunkt dafür überschritten.
Ich habe Dir dargelegt, dass die Abrissarbeiten vergeben sind und im Falle der
Nichtdurchführung des Abrisses Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe
fällig wären.
Die Versorgungsleitungen für Strom, Wasser und Gas auf das Gelände
sind zurückgebaut, die meisten Sanitäranlagen abgebaut.
Der Zug ist also abgefahren.
Deine Behauptungen, dass die Finanzmittel zum Ankauf des Erbbauvereinsgeländes zu Lasten von Wohnungsbaufördermitteln bzw. Schulsanierungsmitteln genommen worden seien, treffen nicht zu.
Lieber Rainer, Du kannst versichert sein, dass ich mir die ganze Angelegenheit sehr lange und vielfach habe durch den Kopf gehen lassen und sie auch bei uns intern, aber auch in den Ausschüssen intensiv diskutiert worden ist.
Dabei ist niemals auszuschließen, besonders nicht bei Großprojekten, dass sich die Realisierung verzögert oder sich Bedingungen verändern. Deshalb müssen wir sorgsam abwägen, wir stehen aber auch in der Verantwortung, alles zu tun, um die beabsichtigte Entwicklung zu beschleunigen.
Mit freundlichen Grüßen
Barbara Moritz