Barbara Moritz, Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen, Gülichplatz 3, 50667 Köln


An
Rainer Kippe
Düsseldorf Str. 74

51063 Köln

Köln, den 7. März 2006

Barmer Viertel
OFFENER BRIEF

Lieber Rainer Kippe,

nach zahlreichen Veröffentlichungen, Flugblättern, Schreiben an OB und RP, Strafanzeigen, etc. wendest Du Dich an mich persönlich, um noch einmal alle Vorwürfe im Zusammenhang mit dem Abriss des Barmer Viertels aufzulisten.
Dieses Schreiben kursiert als offener Brief.

Zunächst einmal beziehst Du Dich auf Telefongespräche, die Du mit mir geführt hast. Dabei habe ich Dir eine Menge Hintergrundinformationen gegeben, die teilweise auch vertraulich waren, weil schützenswerte Interessen Dritter betroffen sind. Du hast Dich an die Vertraulichkeit nicht gehalten. Das gehört wohl zu Deinem politischen Selbstverständnis. Schlimmer noch, dass Du richtige mit unrichtigen Behauptungen verknüpfst und Informationen bewusst falsch verwendest.

Offensichtlich hast Du ein politisches Ziel und da heiligt der Zweck jedes Mittel.

Ich möchte nun auf Deine Behauptungen im Einzelnen eingehen und meine Sicht der Dinge darlegen.

- Mit einem zweiten ICE-Terminal in Deutz bot sich für Köln die Chance einer schnellen Verbindung nach Frankfurt und ins Ruhrgebiet. Die Stadt beschloss, das vom öffentlichen Verkehr optimal erschlossene Gelände um den Bahnhof als Kern einer rechtsrheinischen wirtschaftlichen Entwicklung verbunden mit einer Neuorientierung der Messe auszuweisen. Die alten Rheinhallen waren messetechnisch überholt, die innere Erschließung nicht optimal. Mit einem Südeingang der Messe am Bahnhof Deutz und Anschlussnutzungen wie Hotel, Kongress und messe affine Büronutzungen sollte dort ein innerstädtisches Kerngebiet entstehen.
- Dazu musste unter anderem ein Wohnblock des Erbbauvereins weichen, weil er sich genau im Eingangsbereich der Messe befindet.
- Die dortigen Wohnungen befinden sich in einer absoluten Insellage umgeben von Bahnlinien, Messe und ihrer Logistik und der viel befahrenen Deutz-Mülheimer Str. und sind nachhaltig für Wohnen nicht geeignet.
- In den folgenden Verhandlungen mit der Genossenschaft schloss sich der Erbbauverein dieser Sichtweise an und bestand deshalb auf einem vollständigen Verkauf seines Bestandes, um ihn an anderer Stelle in moderner Form wieder zu errichten.
- Die Stadt schloss mit dem Erbbauverein einen Verkaufsvertrag, der aus 2 Teilen bestand ; erstens 22,5 Mio für das Grundstück und 42,5 Mio für die Neuerrichtung der Wohnungen, Projektentwicklung, Umzugskosten, Mietzuschüsse und Beratung der Mieter, incl Abrisskosten.
- Der Erbbauverein hat als Ersatz für die entfallenen 381 Wohnungen mittlerweile 511 neue Wohnungen mit modernsten ökologischen Standards in integrierten Wohnlagen, incl einer KITA errichtet und dafür annähernd 100 Mio Euro investiert. Alle Mieter sind zu Ihrer Zufriedenheit untergebracht.
- Der Erbbauverein verpflichtete sich auf eigene Rechnung den Abriss zu organisieren und das Gelände zum 30.6.2006 geräumt zu übergeben.
- Durch unterschiedliche Entwicklungen ( zögerliche Investitionsbereitschaft der Deutschen Bahn, Interventionen der UNESCO und eine veränderte Nachfragesituation auf dem Büromarkt) verzögerte sich die Umsetzung.
- Ab Ende März bis Anfang Mai findet eine Überplanung des bestehenden Bebauungsplans zum Zwecke seiner Änderung in verschiedenen Workshop-Terminen statt. Im Anschluss daran wird mit der Vermarktung des Geländes begonnen. Alle Investitionsinteressen müssen bis zu diesem Zeitpunkt vertagt werden, insbesondere der östliche Bereich, weil sehr wahrscheinlich an dieser Stelle eine höhere Verdichtung in Frage kommt.
- Ziel der Stadt ist es, die eingesetzten Kaufpreise durch die Vermarktung so zügig wie möglich zu refinanzieren. Dabei handelt es sich selbstverständlich um Einnahmeprognosen, die aber bei Prominenz des Standortes nicht unrealistisch erscheinen.
- Bei der wirtschaftlichen Betrachtung des Gesamtvorhabens darf natürlich nicht außer acht gelassen werden, dass der Messe mit diesem Projekt langfristig die Verbesserung ihrer wirtschaftlichen Situation ermöglicht wird.

Die Frage einer möglichen Zwischennutzung hat sich mir im Verlauf des Projektes auch gestellt, wäre aber nur dann sinnvoll, wenn am Markt keinerlei Neigung zu verspüren wäre, an dieser Stelle zu investieren. Mittlerweile gibt es jedoch zumindest einen Interessenten, dessen Angebot aber wegen der laufenden Umplanungen vertagt werden mussten. Eine Zwischennutzung nur für einen sehr kurzen Zeitraum hingegen wäre nicht sinnvoll.

Selbst wenn ich unterstellen würde, dass alle betroffenen Akteure bereit wären über eine Zwischennutzung nachzudenken, ist der Zeitpunkt dafür überschritten.
Ich habe Dir dargelegt, dass die Abrissarbeiten vergeben sind und im Falle der Nichtdurchführung des Abrisses Entschädigungszahlungen in Millionenhöhe fällig wären.
Die Versorgungsleitungen für Strom, Wasser und Gas auf das Gelände sind zurückgebaut, die meisten Sanitäranlagen abgebaut.
Der Zug ist also abgefahren.

Deine Behauptungen, dass die Finanzmittel zum Ankauf des Erbbauvereinsgeländes zu Lasten von Wohnungsbaufördermitteln bzw. Schulsanierungsmitteln genommen worden seien, treffen nicht zu.

Lieber Rainer, Du kannst versichert sein, dass ich mir die ganze Angelegenheit sehr lange und vielfach habe durch den Kopf gehen lassen und sie auch bei uns intern, aber auch in den Ausschüssen intensiv diskutiert worden ist.

Dabei ist niemals auszuschließen, besonders nicht bei Großprojekten, dass sich die Realisierung verzögert oder sich Bedingungen verändern. Deshalb müssen wir sorgsam abwägen, wir stehen aber auch in der Verantwortung, alles zu tun, um die beabsichtigte Entwicklung zu beschleunigen.

Mit freundlichen Grüßen


Barbara Moritz