Pressespiegel zur Dokumentationszwecken

KStA, 08.03.06

"Wir bleiben hier, solange es geht"

Mit ihrer Aktion wollen die Besetzer die Stadt dazu bewegen, die Häuser doch nicht abzureißen.

VON CLEMENS SCHMINKE Aus einem großen goldenen Rahmen schaut die Muttergottes mit Jesuskind auf die Szene. Viele andere Bilder hängen an den Wänden. Auf einem der Stühle ist eine Gitarre abgestellt, auf dem Tisch stehen Geschirr und eine Thermoskanne, und es gibt ein Radio. Wohnlich eingerichtet haben die rund 60 Hausbesetzer des Barmer Viertels das, was sie zum Versammlungsraum deklariert haben. An einer Wand steht: "Wohneigentum für alle ist ein Stück Freiheit."

Seit Samstagabend protestieren sie mit der Besetzung einiger Häuser des "Barmer Blocks", des zentralen Gebäudekarrees, gegen den bevorstehenden Abriss. Das Anliegen machen die Transparente deutlich, die an den Fassaden mit ihren zugemauerten Parterrefenstern hängen: "Hier zerstört die Stadt 381 intakte Wohnungen", "Hier könnten Sie wohnen!" oder schlicht: "Kein Abriss!"

"Wir bleiben hier, solange es geht", stellt Sabine von der Sozialistischen Selbsthilfe Köln (SSK) im Versammlungsraum klar. "Wir bekommen viel Zuspruch von den Deutzern." Mit der Polizei habe es bisher keine Schwierigkeiten gegeben. Der Erbbauverein, Eigentümer des Viertels, hat Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs gestellt. Die Polizei will sich nach den Worten eines Sprechers aber erst einschalten, wenn konkrete Straftaten vorliegen oder es eine Räumungsklage gibt.

Derweil herrscht in den besetzten Häusern reges Treiben. Da alle Versorgungsleitungen gekappt sind, gilt es, sich zu behelfen, ob mit Generatoren, Gasöfen oder Wasser aus Kanistern. Trotzdem: "Nachts ist es arschkalt", sagt Reinhard, 44-jähriger Schreiner. Geduscht wird ab und zu auswärts. "Es wäre ein Wahnsinn, wenn das hier abgerissen würde", sagt er und klopft in einer Wohnung an die Wand: "Solides Mauerwerk, gute Bausubstanz." Dann verweist er auf die wie neu aussehenden Thermopanefenster. Mit Jens (33) geht er durch den Innenhof, wo gefällte Nadelbäume liegen. Andere Besetzer wärmen sich dort an einem Feuer in einer Metalltonne.

Im einst denkmalgeschützten Teil des Viertels führen die beiden Männer durch die Wohnungen, machen auf deren großzügigen Zuschnitt aufmerksam, den relativ guten Zustand. "In Köln wird erst mal alles platt gemacht und keine vernünftige Alternative geschaffen", sagt Jens.

Mit Wohlwollen verfolgt Gunther Rüdiger die Aktion seiner neuen Nachbarn. Der 58-Jährige wohnt im einzigen Haus des Viertels, das noch nicht geräumt ist; er betreibt mit seiner Frau Rosemarie seit 15 Jahren die Gaststätte "Zur Post", die an der Deutz-Mülheimer Straße liegt. Den Abriss hält er allerdings für unabwendbar: "Das Ding ist gelaufen." Am liebsten würde er in dem Haus bleiben, das nicht dem Erbbauverein, sondern einem Privatmann gehöre. "Das ist mein drittes Kind", sagt er über die Wirtschaft, in die er viel Geld gesteckt habe. Die jahrelange Abrissdrohung hat ihn mitgenommen: "Meine Nerven sind zurzeit nicht die besten." Mitte März trifft er sich, begleitet von seinem Anwalt, zum Gespräch mit Vertretern der Stadt: Da geht es dann um seine Zukunft.

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