09.08.2006
Manuskript des WDR-Lokalzeit Filmes (ca. 3 min) zum
Barmer Viertel
Es ist ein bißchen wie bei Asterix: Köln-Deutz im Jahre 2006 nach
Christus. Das ganze Barmer Viertel wurde von der Stadt abgerissen. Das ganze?
Nein, eine kleine unbeugsame Kneipe leistet erbittert Widerstand. Und tatsächlich,
mitten in den Trümmern steht sie noch: die Gaststätte Zur Post. Schließlich
hat sie noch einen Pachtvertrag bis 2008. Trotzdem ist die Kneipe im Moment
geschlossen.
Die Post, Treffpunkt des Barmer Viertels. Das Viertel stand hier noch vor kurzem - Barmer Viertel. 381 Wohnungen weg - nur noch Schutt. Aber die Post steht noch bis 2008. So lange läuft der Pachtvertrag. Leider aber ist hier zu derzeit. Kein Schnitzel, keine Kalbsleber, kein Lammkotelett zur Mittagszeit. Der Wirt darf erst abends ab acht öffnen - Anordnung , es sei zu gefährlich wegen der Abrissarbeiten drum herum. Und auch der Wirt, Günther Rüdiger, ist nicht vor Ort. Das aber hat einen ganz anderen Grund:
Rainer Kippe (Initiative
Barmer Viertel):
"Herrn Rüdiger geht es wieder etwas besser, nachdem er einen Nervenzusammenbruch
hatte; er hat diesen Druck nicht ausgehalten und ist jetzt in einem Krankenhaus
und dem ist übel mitgespielt worden."
Übel mitgespielt ja, berichtet der Wirt am Telefon. Der Beton sei ihm von der Decke gefallen, weil oben gebohrt wurde, ständig werde die Straße aufgerissen und die Wachleute hätten absichtlich die Gäste vertrieben. Reiner Psychoterror, um ihn weich zu kochen, damit er aufgibt. Nein, sagt die Stadt, Absicht sei da nicht im Spiel. Es sei jedoch auch keine Absicht, dass das Haus überhaupt noch steht.
Axel Rostek (Amt für
Liegenschaften Stadt Köln):
Aber; ich meine, das ist liegenschaftliches Tagesgeschäft: Nicht immer
wird man sich mit Pächtern über die vorzeitige Beendigung eines Pachtvertrages
einig. So war es auch in diesem Fall. Folge ist, das Haus bleibt stehen.
wdr: "Heißt kurz gesagt, sie haben zu wenig geboten."
Axel Rostek:
"Aus der Sicht des Pächters mag sich das so darstellen, aus städtischer
Sicht keinesfalls."
50.000 € habe man ihm geboten, berichtet der Wirt. Die Stadt hätte einfach seinen Jahresgewinn hochgerechnet. Damit aber sei ihm doch nicht geholfen.
Rainer Kippe:
"Der Rüdiger hat eben ausgehalten, einfach auch, weil er keine andere
Möglichkeit hatte. Das ist ein DDR-Flüchtling, der hat da im Knast,
in Stasi-Haft gesessen, der hat sich eine Existenz aufgebaut - Was will so ein
Mann mit 60 Jahren, wo will der hin?"
Andererseits, so fragt man sich, wo will die Stadt jetzt mit dem Gelände hin? Denn jeder potenzielle Käufer wird abgeschreckt mit der Post mittendrin. So kauft es doch keiner, und das geplante moderne Büroviertel kann frühestens 2008 entstehen. Zudem muss die Stadt dann noch einmal die Bagger anrücken lassen.
Axel Rostek:
"So ist es. Dann können Sie ja leicht ausrechnen, dass die Mehrkosten
unter dem liegen, was der Pächter dann wohl gefordert hat - ansonsten wären
wir uns ja einig geworden."
Keine Einigung. Wirt Günther
Rüdiger will die Post weiterbetreiben - aber erst dann, wenn er sich von
dem ganzen Lärm drum herum richtig erholt hat.