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Offener Brief an den Erbbauverein


Köln, den 24.08.06

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

heute findet um 9.30 Uhr vor dem Landgericht Köln das Berufungsverfahren in dem Mietverfahren Dr. Bihari / Erbbauverein statt [Aktenzeichen LG 1 S 275/05].

Dr. Bihari war seit 1983 Ihr Mieter im Haus Deutz-Mülheimer Str. 31. Er war der "Viertelsarzt" und ebenso Vertreter im Mieterbeirat der Genossenschaft Er wurde im Februar 2005 von Ihnen gekündigt.

Als Kündigungsbegründung musste von Ihrer Seite die Unwirtschaftlichkeit der weiteren Vermietung herhalten.
Die Unwirtschaftlichkeit der Häuser haben Sie vorgerechnet indem Sie Maßnahmen, wie "Aufzugseinbau", "Badetuchheizkörper in den Bädern", "Leerrohrsystem für Telefonnebenstellen in jedem Wohnraum", "Echtholzparkett" etc. (Anlage 5 des Kündigungsschreiben) als notwendige Maßnahmen angaben.

Als Initiative Barmer Viertel haben wir die Wirtschaftlichkeit der Wiedervermietung, sowohl durch einen Wirtschaftsprüfer als auch einen Architekten, überprüfen lassen. Beide kamen zum Ergebnis, dass die Häuser sich mit einem geringen Aufwand wieder vermieten lassen. Sie selbst sind bis zum Jahr 2000 als die Stadt ihre Abrisspläne für das Viertel vorstellte, davon ausgegangen, dass der Bestand erhaltenswert ist. Der Abriss eines ganzen Viertels wäre Ihnen überhaupt nicht im Sinn gekommen. Im Jahr 2000 fiel - nach Ihren eigenen Angaben - Ihr damaliger Vorstand aus allen Wolken als er aus der Zeitung von den Abrissplänen der Stadt erfuhr.

Mit den Abrissplänen der Stadt hat sich nicht der Bestand im Barmer Viertel in seiner Qualität geändert, sondern Ihre Auffassungen. Die Abrisspläne der Stadt waren nach den Worten ihres Vorstandes Herr Neuhaus:"Eine einmalige Entwicklungschance für die Genossenschaft". Er schwärmte gar:"Wir spielten und spielen Kreisklasse und jetzt ging es darum (...) Bundesliga zu spielen." Ungeniert hat Ihr Vorstandsmitglied Neuhaus öffentlich "die Euphorie" eingestanden, die ihn angesichts der Abrisspläne der Stadt ergriffen hatte. Ihr damaliges Vorstandsmitglied Peter Bresinski resümiert 2005 den Verkauf des Barmer Viertels an die Stadt so: "Diese Lösung ist für die Genossenschaft äußerst lukrativ." Weiter führt er aus: "Die Verhandlungen zwischen der Erbbauverein und der Stadt Köln waren eine spannende Zeit und für die Genossenschaft ein voller Erfolg."
Und tatsächlich: hochwertig ausgestattete Neubauwohnungen, eine neue Geschäftsstelle für die Genossenschaft, eine erhöhte Eigenkapitaldeckung sind ein voller Erfolg. Aus den Mitteln der Transaktion können Sie den Neubau von 233 Wohnungen in unmittelbarer Nähe und von 230 weiteren in entfernter gelegenen Vierteln finanzieren.

Für Ihren Mieter Dr. Bihari ist aber das schöne Geschäft, dass Sie mit der Umsiedlung der Mieter und dem Abriss von guten und preiswerten Wohnraum gemacht haben, existenzbedrohend. Für ihn als Arzt war seine im Viertel beliebte und festverankerte Arztpraxis seine Altersvorsorge, die er wie üblich, wenn er sich zur Ruhe gesetzt hätte, an seinen Nachfolger verkauft hätte. Diese Lebensplanung haben Sie zunichte gemacht, indem Sie das Viertel abgerissen haben. Herr Dr. Bihari ist doppelt betroffen, als Mieter und Praxisinhaber. Für ihn stellt seine Vertreibung daher eine doppelte Belastung dar.

Das Mindeste wäre daher gewesen, dass Sie Herrn Dr. Bihari angemessen entschädigen. Doch stattdessen haben Sie ihn mit einer in unseren Augen absurden Wirtschaftlichkeitsberechnung gekündigt, und als Sie das Urteil der ersten Instanz in der Tasche hatten, 2005 zwangsgeräumt. Das ist das gleiche Jahr, indem sich Ihre Vorstandsmitglieder in der Zeitschrift Deutsche Wohnungswirtschaft ihres lukrativen Geschäftes mit der Stadt rühmten (siehe Zitate oben).

Sie sollten wenigstens jetzt - nach Ihrer Geschäftemacherei mit der Vernichtung von Wohnraum - die angemessene Entschädigung von Herrn Dr. Bihari nachholen. Ein Teil des Geldes, das Sie von der Stadt Köln erhalten haben, ist ja für Sozialpläne geflossen.

Für den ramponierten Ruf Ihrer Genossenschaft kann ein solcher Schritt nur gut sein, die Prozesse um die Kündigung von Herrn Bihari könnten damit beendet werden, und Sie würden sich so Ihrer Verantwortung, die Lebensplanung von Herrn Dr. Bihari zerstört zu haben, stellen.
Sie können ja die Messe fragen, ob Sie sich nicht an einer Entschädigung für Herrn Dr. Bihari beteiligen will. Nach den Worten Ihres Vorstandes Herr Neuhaus hat die Messe Sie als Profiteur des Abrisses schon einmal unterstützt: "Allein drei Mal haben wir große Veranstaltungen in der Kölner Messe abgehalten. Die Messe hat uns die Räume unentgeltlich zur Verfügung gestellt, denn schließlich ist das Barmer Viertel direkt von den Expansionsplänen der Messe betroffen, also sollte sie durchaus ihren Beitrag leisten." Warum sollte nicht auch jetzt die Messe ihren Beitrag leisten? Nutzen Sie doch auch diesmal Ihre guten Verbindungen zur Messe.

Mit freundlichen Grüßen
Martin Massip, Rainer Kippe


ViSdP.
Rainer Kippe
Martin Massip
Düsseldorfer Str. 74
51063 Köln

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