Heinz Weinhausen für
die "Initiative Barmer Viertel"
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10.08.2006 - Beitrag für Mach Et - den Rundbrief
der Kölner Grünen
Die Umsetzung
von Politik in Praxis durch die Grüne Ratsfraktion
Vergangenheit und aktueller Scheideweg
von Rainer Kippe, Initiative Barmer Viertel
Vor 3 Monaten wurde der Barmer Block nach dreimonatiger Besetzung geräumt. Mittlerweile ist da, wo solide und schön gestaltete Genossenschaftsbauten standen, ein Schuttberg zu besichtigen, der eher an Beirut erinnert, als an die Kölner Innenstadt. Einsam ragt die Gaststätte zur Post auf, in der das Pächterehepaar Rüdiger um seine Existenz kämpft, auch das ein Anblick wie im zerbombten Nachkriegsköln. Bald wird, wo über tausend Menschen wohnten, ein geräumiger Parkplatz für die Messe entstanden sein.
Besetzung, Räumung und Abbruch des Barmer Blocks haben ein Medienecho erzeugt, das weit über Köln hinausging und geht und an zwei andere Ereignisse anknüpfte, die ebenfalls im Bereich der Messe liegen: der Skandal um den Bau der neuen Messehallen und der Skandal um den Verkauf der alten Messehallen. Alle drei haben die Öffentlichkeit bewegt. Während bei den ersten beiden aber der Oberbürgermeister und seine Verwaltung im Mittelpunkt standen, waren es hier DIE GRÜNEN, oder besser die Auseinandersetzung der Besetzer mit DEN GRÜNEN und die Auseinandersetzung innerhalb DER GRÜNEN.
Der Verfasser, der seit vielen Jahren in Initiativen arbeitet und den Aufbau DER GRÜNEN von Anfang an begleitet hat, will versuchen, die Rolle und die Funktion der GRÜNEN Partei auf dem Hintergrund der Geschehnisse zu betrachten. Dabei soll versucht werden, das Verhältnis DER GRÜNEN zu den Initiativen zu beleuchten und Vorschläge zu machen, die DEN GRÜNEN auf der einen Seite als parlamentarische Vertretung, den Initiativen auf der anderen Seite als parlamentarisch Vertretene erlauben, ihre Zusammenarbeit zu verbessern.
DIE GRÜNEN unterscheiden sich in ihrem Verhältnis zu den Bürgerinitiativen dadurch von anderen Parteien, dass sie selbst aus der breiten Bewegung der Bürgerinitiativen der 70 Jahre heraus gegründet worden sind. Sie sind von ihrer Geschichte her sozusagen der parlamentarische Arm der Bewegung, vergleichbar der Gründung der Sozialistischen Parteien aus der Arbeiterbewegung heraus. Man kennt sich, man hat zusammen in verschiedenen Kämpfen gestanden. DIE GRÜNEN unterscheiden sich weiter dadurch, dass sie, als Teil der Bürgerbewegungen, von ihren Anfängen her Formen der direkten Demokratie, der unmittelbaren Entscheidung durch die Betroffenen, gefordert und gefördert und diese auch praktiziert haben und auch noch weiter praktizieren, soweit dies innerhalb organisatorischen Grenzen der repräsentativen und parlamentarischen Demokratie möglich ist. Auch wenn sich die Gewichte verschoben haben mögen, so ist der Verfasser, und dies wird er im weiteren darzutun versuchen, der Auffassung, dass sich DIE GRÜNEN - bei Strafe des Untergangs - von diesen ihren Wurzeln genauso wenig werden lossagen können, wie die SPD von den Gewerkschaften oder die CDU von den christlichen Kirchen. Die gewählten Beispiele verdeutlichen dem Leser bereits, dass der Verfasser DIE GRÜNEN nicht einfach nur als Vollstrecker der Beschlüsse einer nicht genau gefassten Sammlung von Initiativen ansieht; er versucht vielmehr anhand der Vorgänge um den Barmer Block ein Spannungsfeld zu beschreiben, in dem sich GRÜNE Politik notwendig bewegt, zwischen der Vertretung der Bürgerinitiativen im parlamentarischen Raum und den Erfordernissen einer ganz normalen Partei im Spektrum des bürgerlichen Parteiensystems.
Zur Gründung DER GRÜNEN
führte aber nicht nur der Wunsch, die Forderungen von Bürgerinitiativen
im parlamentarischen Raum zu vertreten. Genauso stark war die Absicht, den politisch
und gesellschaftlich Engagierten die Informationen, aber auch die technischen
und Geldmittel zugänglich zu machen, welche in der real existierenden Gesellschaftsordnung
an Mandate, Fraktionen usw. geknüpft sind. In der Folge waren GRÜNEN-
Büros auch ein Treffpunkt von Initiativen, es wurden Kampagnen geplant,
Informationen getauscht, Anträge beraten, Flugblätter vervielfältigt,
Unterstützung auch ganz materiell und handfest organisiert.
Das war auch deshalb selbstverständlich, weil GRÜNE Mandatsträger
in aller Regel selbst in den Initiativen verankert waren, so wie SPD- Abgeordnete
auch heute noch in der Gewerkschaft aktiv sind und CDUler im Pfarrgemeinderat
oder in der Synode.
Die GRÜNE Praxis ging aber darüber hinaus, weil DIE GRÜNEN als bürgerliche Emanzipationsbewegung sich die Aufgabe gestellt hatten, den Menschen zu helfen, ihre Interessen selbst wahrzunehmen, unabhängig von den Funktionären eines verkrusteten Systems, welches als manipulativ und entmündigend wahrgenommen wurde, und ihnen dafür die notwendigen Mittel und Informationen zur Verfügung zu stellen. Bis heute sind deshalb GRÜNE Entscheidungsgremien offen- zumindest auf kommunaler Ebene. Jeder kann am Mittwochskreis teilnehmen. Auch und gerade im parlamentarischen Getriebe haben DIE GRÜNEN deshalb stets darauf geachtet, dass politische Entscheidungen durchsichtig gemacht wurden, und dass die zur Diskussion der anstehenden Fragen erforderlichen Informationen an die Öffentlichkeit gelangten und nicht als Herrschaftswissen nur von Insidergruppen genutzt werden konnten, sodass eine öffentliche Debatte über anstehende politische Entscheidungen vielfach überhaupt erst möglich wurde. Das Verdienst DER GRÜNEN an der heutigen politischen Kultur, der Offenheit und Unbefangenheit heutiger politischer Diskussionen, kann nach Ansicht des Verfassers dieser Zeilen gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Ermessen kann diesen Fortschritt nur, wer, wie der Verfasser, bereit und in der Lage ist, sich zu erinnern, wie Politik vor 50, aber auch noch vor 30 Jahren zelebriert wurde, als politische Entscheidungen grundsätzlich in geweihten Zirkeln gefällt wurden, um über auserwählte Medienpriester dem gleichermaßen dummen und heilsbedürftigen Volk übermittelt zu werden. Wenn hier heutige Vorgänge kritisiert werden, dann auf dem Hintergrund dieses gewaltigen Fortschritts und aus der Sorge heraus, dass die Zeiten der Geheimpolitik in abgeschotteten Zirkel wiederkehren, wenn DIE GRÜNEN ihre selbstgewählte Aufgabe nicht mehr erfüllen. Dann allerdings wäre zu besorgen, dass 40 Jahre politischer und demokratischer Kampf verloren wären.
Aus dem bisher Gesagten geht für die Leser sicherlich hervor, dass die Gruppen und Einzelpersonen, die sich zu Rettung des Barmer Viertels in der gleichnamigen Initiative zusammengeschlossen hatten, davon ausgegangen sind, dass sie beim Kampf um die Erhaltung dieses preiswerten Wohnraumes von DEN GRÜNEN, und hier ist gleichermaßen an Partei und Ratsfraktion gedacht, vorbehaltlos unterstützt werden, dass diese ihnen deshalb alle erforderlichen Informationen zukommen lassen, die notwendigen parlamentarischen Entscheidungen vorbereiten, usw. Sie sind weiter davon ausgegangen, dass DIE GRÜNEN auch menschlich solidarisch zu den Aktivisten stehen und sich schützend vor diese stellen, wenn sich herausstellen sollte, dass eine- wie immer geartete- parlamentarische Mehrheit den Abriss durchsetzt. Unter diesen Voraussetzungen schätzten die an den Aktionen Beteiligten die Chance für einen mindestens teilweisen Erhalt des Viertels wenigstens in einer Zwischennutzung als gut ein.
Der Verfasser war auch noch dieser Auffassung, nachdem er zum ersten Male mit der Fraktionsführerin DER GRÜNEN im Kölner Rat gesprochen hatte. Er hatte aus diesem persönlichen Gespräch den Eindruck gewonnen, dass die Fraktionsführerin eine Besetzung begrüßt um dem oben beschriebenen Ziel, Zwischennutzung in einem Teil der Gebäude, näher zu kommen. Bis heute ist es dem Verfasser unverständlich und unbegreiflich, wie es auf der Parteiversammlung DER GRÜNEN im Deutzer Jugendzentrum zu einem Antrag der Fraktionsführung kommen konnte, den Barmer Block abzureißen, und sogar eine Zwischennutzung abzulehnen.
Zum ersten Male wurden dem Verfasser auch notwendige Informationen von DEN GRÜNEN vorenthalten. Aus dem ihm zugänglich gewordenen Ratsprotokollen ging hervor, dass DIE GRÜNEN dem Abbruch des Barmer Viertels bereits in Ratsbeschlüssen im Juli und Dezember 2002 zugestimmt haben, d.h. noch VOR dem Scheitern der CDU-FDP-Koalition und VOR ihrer Koalition mit der CDU, zu einem Zeitpunkt also, an dem sie noch in der Opposition waren.
Es kommt aber noch schlimmer: wer diesen Beschluss aufmerksam liest, wird feststellen, dass damit der Beschluss zum Bau von drei Hochhäusern- zwei auf dem Barmer Gelände, eines am Otto-Platz- vorweggenommen wurde, weil in der Rechnung der Verwaltung, welcher die Ratsvertreter EINSTIMMIG zugestimmt haben, ein Verkaufserlös für die Finanzierung eingesetzt wurde, welcher nur beim Bau von Hochhäusern realisiert werden kann. Nur so waren die fast 70 Millionen aufzubringen, welche für Erwerb und Abbruch des Barmer Viertels, und die Umsiedlung seiner Bewohner in Neubauten, aufzubringen sind. Aber auch dann bleibt ein größerer Betrag offen. Aus den Ratsvorlagen sind keine Investoren ersichtlich, die bereit gewesen wären, in dieses Geschäft Geld zu stecken. Das Risiko blieb allein bei der Stadt, und da die Einnahmen wie gesagt die Ausgaben nicht deckten, mussten Risiko und Mehrausgaben aufgefangen werden. Dies konnte bei der Haushaltslage der Stadt, welche auch damals schon angespannt war, nur durch den Verkauf der GAG geschehen, der ebenfalls für den Dezember 2002 vorgesehen war, und im Januar 2003 endgültig scheiterte mit den bekannten Folgen für die städtische Politik.
Es ist dem Verfasser aus dieser Zeit auch kein Beschluss DER GRÜNEN Partei bekannt, in dem sie dieser städtebaulichen Weichenstellung, der größten vielleicht seit dem Abbruch der Stadtmauer und dem Bau der Stübben-Neustadt, zugestimmt hätte. Hier wurde bereits im Juli 2002 eine Entscheidung getroffen, an der die Öffentlichkeit nicht beteiligt war. Tatsächlich ist die Ratsfraktion DER GRÜNEN damals ohne Not, ohne Zustimmung ihrer Basis und ohne eine angemessene öffentliche Diskussion auf die Linie der Stadtentwicklungspolitik von CDU und FPD eingeschwenkt, die geprägt war durch die fantastischen Projekte des Dezernenten Fruhner einerseits (Hochhäuser, Euroforum, Medienpark Mülheim u.a.), durch den städtischen Ausverkauf (GAG, Barmer Viertel, Messehallen) andererseits. Für Neoliberale wie Sterck und Bietmann mag diese Politik sinnvoll erscheinen: erst wenn man der öffentlichen Hand alle Möglichkeiten wegnimmt, Wirtschaft und Gesellschaft zu gestalten, erst wenn man alle Mittel und Ressourcen auf Private überträgt und alle Transferleistungen streicht, entsteht in den unteren Volksschichten die Not, die nach liberaler Überzeugung erforderlich ist, um die Bereitschaft zu wecken, jede Arbeit zu jedem Lohn anzunehmen. Nur so kann nach liberaler Überzeugung die Wirtschaft wieder Fahrt aufnehmen und an Dynamik gewinnen. Der Liberalismus als Wirtschaftsideologie macht buchstäblich aus der Not eine Tugend.
Bei DEN GRÜNEN hält sich hartnäckig das Gerücht, das Scheitern des GAG- Verkaufs durch zwei Überläufer von der CDU sei ein abgekartetes Spiel gewesen, um der CDU die Wunschkoalition mit DEN GRÜNEN zu ermöglichen. Die jüngsten Rüttgers- Interviews legen dagegen nahe, dass der GAG- Verkauf in der CDU-Fraktion keine Mehrheit fand, weil diese Politik der politischen Selbstentmannung auch in der CDU keine wirkliche Mehrheit hatte.
DIE GRÜNEN durften dem Kauf und Abbruch des Barmer Viertels auch deshalb nicht zustimmen, weil für den Bau der Hochhäuser ausweislich der Ratsvorlagen keine Investoren in Sicht waren. Es war daher absehbar, dass der beim Scheitern dieser Pläne zu erwartende Verlust von ca.50 Millionen Euro allein von der Stadt aufzubringen ist und in der Folge die politische Handlungsfähigkeit der Stadt lahm legen würde. Dies ist in der Folge eingetreten. Im Juli 2003 mussten DIE GRÜNEN jetzt in Koalition mit der CDU als Folge der vorausgegangenen desaströsen neoliberalen Politik von CDU und FDP ein Hauhaltssicherungskonzept (HSK) beschließen, das die zu erwartenden Verluste mit den Erlösen aus dem Verkauf von Grundstücken auffangen will. Die eingesetzten Preise sind zu einem Teil wissentlich überhöht (Barmer Viertel), zum anderen zerstören sie alle Möglichkeiten der Stadt, durch die Überlassung von günstigem Baugrund den sozialen Wohnungsbau (GAG), die Ansiedlung von Künstlern (Clouth-Werke) oder Arbeitsprojekte (Industriebrache Mülheim) zu fördern. Damit bricht die Stadt gerade in Zeiten von Rot-Grün mit einer langjährigen politischen Praxis. Statt sich in Fruhners Fantasieprojekte einbinden zu lassen, hätte die Aufgabe der GRÜNEN Ratsfraktion darin bestanden, diese Politik anzuprangern und den Widerstand dagegen zu mobilisieren. Vor allem hätte sie in den Koalitionsverhandlungen mit der CDU Anfang 2003 eine Umkehr verlangen müssen. Denn während DIE GRÜNEN z.B. bei der Industriebrache Mülheim erklärten: wir sind für städtischen Erwerb, es ist nur leider kein Geld da, warfen sie beim Barmer Viertel gemeinsam mit CDU und FDP die Millionen mit vollen Händen aus dem Fenster.
Dies erklärt aber noch nicht, wieso DIE GRÜNEN diese Politik im Barmer Viertel auch dann fortgesetzt haben, als klar war, dass keine Hochhäuser gebaut werden dürfen und als im letzten Herbst am Beispiel des sogenannten "Jahn-Tower" offensichtlich wurde, dass auch dann niemand da bauen will, wenn die Stadt auf die UNESCO pfeift und die Baugenehmigung erteilt, was ihr schließlich niemand verwehren kann. Dass sie diese Fehlentscheidung nicht in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD zum Thema machte. Und dass die Ratsfraktion DER GRÜNEN auch dann nicht von dieser Linie abging, als die Partei im Deutzer Jugendzentrum eine Zwischennutzung beschlossen hatte. Es sind von der Fraktionsführung offensichtlich Verpflichtungen eingegangen worden, deren Inhalte der Öffentlichkeit genau sowenig bekannt sind, wie die Gründe, aus denen sie geschlossen wurden, Verpflichtungen, in denen die Zukunft der Stadt in weiten Teilen festgelegt worden ist. In der Folge des Parteitages im Deutzer Jugendzentrum hat sich herausgestellt, dass es offenbar in der GRÜNEN Partei auch niemanden mehr gibt, der Abhilfe schaffen könnte, dass diese heimlich und an den demokratischen Gremien der Partei vorbei vereinbarten grundlegenden Absprachen vielmehr von den Mitgliedern nicht mehr hinterfragt werden, sondern einfach hingenommen. "Der Zug ist abgefahren" heißt die Parole, welche das Ende GRÜNEN Selbstverständnisses bedeutet, indem sie die Mitglieder und Anhänger DER GRÜNEN auffordert, künftig auf unbequeme Fragen zu verzichten. Merkwürdig für eine Partei, deren Anhänger vor noch nicht allzu vielen Jahren damit Geschichte gemacht hatten, dass sie auf allen nur denkbaren Gebieten Fragen stellten, auf denen die Weisheit überkommener Parteien angeblich keine offenen Fragen mehr übrig gelassen hatten, es seien hier nur Atomkraft und Rüstung erwähnt.
Mit diesen Absprachen und Verpflichtungen sind hier NICHT die Kooperationsvereinbarungen gemeint, die zuerst mit der CDU und jetzt mit der SPD geschlossen wurden. Ein Vergleich zwischen dem, was mit der CDU vereinbart und dem, was mit der CDU erreicht wurde, nährt die Befürchtung, dass auch bei den Vereinbarungen mit der SPD nicht alles umgesetzt werden wird. Die hier geäußerte Vermutung, dass es hinter dem Schleier offizieller Vereinbarungen noch eine andere Wirklichkeit gibt, eine wirkliche Wirklichkeit sozusagen, lässt sich an einigen Ereignissen festmachen. Sie sind, wie im Kapitalismus üblich, vor allem, aber nicht nur, finanzieller Natur. 340 Mio. Euro wurden nach Schätzungen des WDR verbraten, als eine große Kölner Finanzgesellschaft, deren Namen hier nicht genannt werden soll, die von einem ehemaligen hohen Kölner Beamten, dessen Namen hier nicht genannt werden braucht, gemanagt wird, mit dem Bau der neuen Messehallen beauftragt wurde. Hinzu kommen die Verluste aus dem Verkauf der alten Messehallen in Höhe von geschätzten 50 Mio.. Weiter sind da ca. 50 Millionen aus dem Barmer Abenteuer zu verkraften. Dieses Geld fehlt der Stadt bei der Gestaltung ihrer Zukunft, um es mal vorsichtig auszudrücken, und es wird nicht der einzige Betrag sein, von dem sich in den nächsten Jahren herausstellen wird, dass er verschwunden ist oder besser verschenkt worden ist. Das oben mit seinen Folgen kurz dargestellte Haushaltssicherungskonzept spricht Bände. Es entsteht der Eindruck, dass man in Köln alles mögliche in allen möglichen Koalitionen vereinbaren kann, man kann es nur nicht mehr umsetzen, weil die finanziellen Möglichkeiten verschenkt wurden. Und zwar nicht an irgendjemanden, sondern an einflussreiche Kreise.
"Es gibt keine Stadt in Deutschland, in der private und politische Interessen so verknüpft sind, wie in Köln", sagte ein Mann vom SPIEGEL, einer Publikation, die als gut informiert gilt. Es ist nicht nur zu fragen, was mit wem und warum zum Barmer Viertel vereinbart worden ist, es ist auch zu fragen, wieso eigentlich erst der WDR kommen musste, um die Geschäfte um die Messe in die Öffentlichkeit zu bringen, und wo die Vertreter DER GRÜNEN waren. Die sitzen doch im Aufsichtsrat.
Jörg Frank meinte, als er in Rathaus Ratlos schrieb, der Abbruch des Barmer Viertels stelle eine Infrastrukturmaßnahme für die Messe dar. Es ist von daher zu fragen, was es mit dem Logistikzentrum auf sich hat, und ob der Barmer Block DAFÜR weichen musste. Ob, wie es einige Leute aus der Stadtverwaltung behaupten, der Barmer Block für 70 Millionen auf Kosten der Stadt abgebrochen werden musste, weil die Messe eine Zufahrt zur Messehalle 11 braucht, und weil sie diese nicht auf eigene Kosten bauen wollte. Wenn das stimmte, wäre allerdings zu fragen, ob die Leitung der KoelnMesse eigentlich in den richtigen Händen ist, und ob DIE GRÜNEN Vertreter im Aufsichtsrat ihre Arbeit gemacht haben. Denn die genannten Gelder haben sich ja nicht in Luft aufgelöst. Und diese Fragen müssen öffentlich diskutiert werden, und zwar in den Institutionen, die von der Verfassung dazu bestimmt sind, und das sind die Parteien. Der Verfasser weiß, dass Mandatsträger unter Druck gesetzt werden. Er kennt die Macht gewisser Medien aus eigener, schmerzhafter Erfahrung. Er kennt aber auch das einzige Heilmittel dagegen, und das heißt Öffentlichkeit und ein überzeugender öffentlicher Diskurs.
Es soll hier noch ein Thema angesprochen werden, das eng mit dem verlorenen Kampf um den Barmer Block zusammenhängt, und ebenfalls ein wirkliches GRÜNES Thema ist. Gemeint ist die SOLIDARITÄT. Die Solidarität mit den Schwachen, mit den Betroffenen. Darin haben sich DIE GRÜNEN bisher von niemandem übertreffen lassen.
Leider war das im Barmer Block nicht so. Von den Ratsmitgliedern kann der Verfasser sich nur an den Besuch des Gerd Brust erinnern. Die anderen machten einen Bogen. Sicher, von der Partei waren Leute da, und dann gab es da auch noch DIE GRÜNE JUGEND. Aber wenn man die Fraktionsführung sehen wollte, dann musste man schon ins Haus Neuerburg gehen, und dort hatte man nicht immer das Gefühl, willkommen zu sein.
Dabei hätten viele Ratsmitglieder im Barmer Block Anschauungsunterricht erhalten können, nicht nur in Fragen des Städtebaus und des Umgangs mit öffentlichen Mitteln. Sozialpolitiker hätten studieren können, wie viele Menschen sich bereits aus unseren sozialen Systemen verabschiedet haben. Jugendpolitiker, wie viele Jugendliche von Streetworkern nicht mehr erreicht werden. Auch die Ausbreitung von Drogen in den unteren Volksschichten bekam man hier eindrucksvoll demonstriert. Der Verfasser weiß es aus eigener Erfahrung: Besetzer stinken, wenn sie sich längere Zeit nicht waschen können. Das war in Gorleben nicht anders. Nur haben GRÜNE dort praktische Solidarität geübt. Aber vielleicht war es ja so, dass DIE GRÜNE Ratsfraktion fürchtete, ihr Image zu ruinieren, wenn sie mit mobilen Duschen und einem veritablen Toilettenwagen vor dem Barmer Block aufgetaucht wäre. Auch als die Verwaltung behauptete, es wäre niemand obdachlos geworden, wäre ein Widerspruch aus DER GRÜNEN Ratsfraktion nicht verkehrt gewesen. Der GRÜNE Ex-Wohnungsbauminister und jetzige Vizepräsident des Landtages, Michael Vesper, hatte jedenfalls keine Probleme, die obdachlos gemachten Punker in der Ostheimer Straße zu besuchen.
Was tun?, heißt die
Frage, die zuerst Tschernyschewski stellte. Mit seinem Wunsch, die genannten
Fragen (und natürlich auch andere) offen zu diskutieren, ist der Verfasser
sowohl bei DER GRÜNEN Ratsfraktion, als auch bei Rathaus Ratlos abgeblitzt.
Er stellt sie nun an das zuständige Parteigremium, den GRÜNEN Kreisverband.